Leserbrief zum Artikel "E-Voting hat den ersten Test problemlos bestanden" im Tages-Anzeiger vom 15. Dezember 2004. Erschienen im Tages-Anzeiger vom 20. Dezember 2004.

Wählen per Mausklick ist unsicher

Der Artikel berichtet von der elektronischen Studierendenratswahl im Kanton Zürich und bezeichnet diese ungeprüft als erfolgreich. Eine kritische Hinterfragung des verwendeten Systems wäre aber dringend nötig. Dem System fehlt jegliche demokratische Kontrolle über den Auszählungsprozess, denn es entscheidet alleine ein Computer in einem dunklen Rechenzentrum über den Ausgang der Wahl. Niemand kann glaubhaft nachvollziehen, dass sich kein Teil des Systems (systematisch) falsch verhalten hat. Ob ein allfälliger Fehler wegen Problemen mit der Hardware oder Software zu Stande kommt oder aus Böswilligkeit, bleibe einmal dahingestellt. Bei der herkömmlichen Auszählung der Stimmen durch eine gemischt zusammengesetzte Gruppe von Stimmenzählern besteht hingegen eine breit abgestützte Kontrolle: Die Zähler schauen sich gegenseitig auf die Finger und verhindern damit eine systematische und grossflächige Wahlfälschung. Ebenso wenig bietet das System eine Möglichkeit einer sinnvollen Nachkontrolle und vernachlässigt das Wahlgeheimnis. Da sich die Wähler mit einem ihnen zugewiesenen Code beim Wahlcomputer anmelden müssen, ist es für den Computer prinzipiell ein Leichtes, Profile der Wähler zu erstellen. Ob der Computer dies tatsächlich macht oder nicht, kann von den Stimmbürgern nicht nachvollzogen werden. Leider wurden von den Projektleitern die Resultate der Informatik-forschung der letzten Jahre völlig ignoriert und wurde ein teures System entwickelt, das zwar dank dem Schlagwort "Internet" voll im Trend liegt, letztlich aber gravierende Nachteile aufweist. Das System beruht letztlich einzig darauf, dass für die gesamte Abstimmung einigen wenigen Computern und Administratoren vertraut werden muss. Vertrauen ist gut — aber für die Zukunft einer Demokratie definitiv nicht ausreichend.

Felix Rauch Valenti