Leserbrief zum Artikel "Das Wahllokal ist überall" vom 8. Dezember 2004 im "Bund". Erschienen am 14. Dezember 2004:

Steinzeit der Demokratie

Der Artikel über die Studentenratswahlen in Zürich greift leider die zentralen Probleme der elektronischen Wahlen nicht auf: der Verlust des Wahlgeheimnisses und der demokratischen Kontrolle über den Abstimmungsprozess. Die elektronischen Stimmzettel landen in Form von Bits und Bytes in einem Computer in einem dunklen Rechenzentrum. Was das überaus komplexe Computersystem genau macht und wie es zum Abstimmungsergebnis kommt, bleibt im Dunkeln. Nur ganz wenige Eingeweihte glauben zu wissen, was das System macht. Aber wer garantiert nachvollziehbar, dass sich kein Teil des Systems (systematisch) falsch verhält? Ob dies wegen eines Hard- oder Softwarefehlers oder wegen Böswilligkeit passiert, sei dahingestellt. Der gesamte Abstimmungsprozess beruht nur noch auf dem Vertrauen, dass hoffentlich alles mit rechten Dingen zu und her geht.

Bei der klassischen Auszählung papierener Stimmzettel durch eine Auswahl von Bürgern bleibt die demokratische Kontrolle erhalten: Die Stimmzähler schauen sich gegenseitig auf die Finger. Die Auszählung ist sowohl überschaubar als auch wiederholbar, und eine systematische Wahlfälschung im grossen Stil kann praktisch ausgeschlossen werden. Dies ist im Fall der elektronischen Abstimmungen, wie sie bis jetzt geplant und durchgeführt werden, schlicht nicht mehr gegeben. Es handelt sich um einen Rückschritt in die Steinzeit der Demokratie — gemacht mit Hightech-Ausrüstung.

Dr. sc. techn. Felix Rauch Valenti